Prolog

Ich bin eine Sammlerin. Ich sammle Erzählfäden und webe daraus Geschichten, damit sie nicht verloren gehen.

Den Wunsch, die Lebensgeschichte meiner Ururgroßeltern aufzuschreiben, trug ich schon lange mit mir herum. Zu unwirklich und ungeheuerlich erschienen mir die Schicksalsschläge, mit denen meine Vorfahren leben und an denen einige davon sterben mussten. Irrwitzig erschienen die Zufälle. Solche Tragödien, so scheint mir, hinterlassen immer einen Riss in der Wirklichkeit, durch den das Unsagbare, auch das Unheimliche dieser Zufälle ins Leben eindringt.

Susanne Huber

Schreibend gehe ich auf Spurensuche, um Vergangenes und Gegenwärtiges genauer zu verstehen.

Susanne Huber

Beim Schreiben, bei den Recherchen und zahllosen Gesprächen mit Freunden und Fremden wurde mir klar, wie oft solche Tragödien Ausgangspunkt für Geschichten sind, die in Familien mündlich über Generationen weitergegeben werden. Diese Geschichten – das, was erzählt und das, was verschwiegen wird – prägen Familien, manchmal regieren sie sogar aus der Vergangenheit noch hinein in die Gegenwart oder sie verschwinden irgendwann spurlos, wenn die letzten sterben, die sie noch erzählen könnten.

Da wir alle Erzählerinnen und Erzähler unserer eigenen Lebens- und Familiengeschichten sind, wollte ich aufschreiben, was sich in jenen Wintermonaten 1917/18 vielleicht zugetragen haben könnte.

Während der erste Text von meinen Ururgroßeltern fast fertig geschrieben war, tauchte eine weitere Geschichte auf, die mich nicht mehr losließ, bis sie festgehalten war.

Und so würde ich mich zwar selbst nicht als Schriftstellerin, als Autorin bezeichnen, bin es aber vielleicht mittlerweile doch geworden.


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